CHINA-NEGOTIATION
© Copyright china-negotiation.com:  Florian W. Mehring (siehe Impressum). © „Die Hohe Schule der Kriegskunst bei Geschäftsverhandlungen“ alle Rechte beim  Verlag Dr. Kovač,  Hamburg.

Interview mit Florian W. Mehring in der Frankfurter Allgemeinen Zeitzung

 

vom Samstag, 14.01.2017

„Chinesen sind misstrauischer“

Der    Sinologe    Florian    Mehring    hat    an    der    Uni    Freiburg    über    Verhandlungsstrategien    von Chinesen geforscht. Deren Spezialität: Lust an der List. Betrachten    Chinesen    Verhandlungen    tatsächlich    als    Kriegskunst,    wie    es    in    einem    von    Ihnen übersetzten Ratgeber heißt? In   der   chinesischen   Sprache   finden   wir   oft   martialisch   geprägte   Ausdrücke.   Als   Beispiel   möchte   ich die   „36   Strategeme“   nennen.   Es   handelt   sich   dabei   um   einen   Katalog   von   Listtechniken,   der   in   der Ming-Zeit,   also   von   1368   bis   1644,   zusammengestellt   worden   sein   soll.   Das   Erkennen   und   die   kluge Anwendung   der   Strategeme   stehen   oft   im   Mittelpunkt   von   Verhandlungsschulungen   in   China   –   und diese   werden   oft   mit   kriegerischen   Handlungen   in   Verbindung   gebracht.   Doch   darf   man   keinen Denkfehler    begehen    und    glauben,    dass    ein    chinesischer    Verhandelnder    die    Zerstörung    des Gegenübers    wünscht.    Denn    wird    dem    Gegenüber    tatsächlich    ernsthaft    geschadet,    so    ist    die Verhandlung     für     beide     Seiten     mit     einer     Niederlage     gleichzusetzen:     Es     kommt     zu     keiner Übereinkunft. Worin       bestehen       die       größten       Unterschiede       zwischen       chinesischer       und       europäischer Verhandlungsführung? Die   Fähigkeit   der   Chinesen,   differenziert   Strategeme   zu   benennen   und   zu   erkennen,   lässt   sie   die   Welt durch   eine   ganz   andere   Brille   sehen   als   wir.   Der   im   Westen   stark   verbreitete   Verhandlungsratgeber „Das      Harvard-Konzept“      steht      im      direkten      Widerspruch      zu      den      meisten      chinesischen Verhandlungsfibeln.     Denn     darin     werden     listige     Verhaltensweisen     aus     moralischen     Gründe grundsätzlich   abgelehnt   und   daher   ignoriert.   Chinesen   hingegen   betrachten   die   Verhandlung   eher als   einen   Prozess,   bei   dem   sich   beide   Seiten   durch   den   Einsatz   von   nicht   kooperativen   Methoden nach    und    nach    nähern    sollen.    Interessant    ist    außerdem,    dass    chinesische    Verhandelnde    oft misstrauisch sind und manchmal Listen sehen, wo keine sind. Welche Folgen hat das? Es    kann    Missverständnisse    hervorrufen.    Zumal    ein    weiterer    Unterschied    das    Bestreben    von chinesischen      Verhandelnden      ist,      stabile      persönliche      Bindungen      aufzubauen.      Chinesische Unternehmer    sind    einem    stetigen    Druck    ausgesetzt,    möchten    derartige    Unternehmen    langfristig miteinander   kooperieren,   so   müssen   sie   stabile   Verbindungen   aufbauen   und   aufrechterhalten.   Dass Unternehmerfamilien    in    China    ihre    Kinder    verheiraten,    damit    Blutsverwandtschaften    entstehen, kommt   nicht   selten   vor.   Trifft   ein   ungeduldiger   deutscher   auf   einen   chinesischen   Partner,   dessen primäres    Ziel    darin    besteht,    eine    stabile    persönliche    Beziehung    aufzubauen,    so    kann    es    oft vorkommen,   dass   beide   Seiten   verärgert   auseinandergehen.   Die   deutsche   Seite   fängt   sofort   an,   über für   die   chinesische   Seite   völlig   uninteressante   Details   zu   reden,   und   die   chinesische   Seite   redet   um den   heißen   Brei   herum.   Kann   jedoch   eine   richtige   Freundschaft   aufgebaut   werden,   so   ist   die   Bindung stabiler und sicherer als beim Einsatz von juristischen Absicherungsmechanismen.   Das Gespräch führte Uwe Marx. Im Gespräch: Florian Mehring
Link zum Artikel bei www.faz.de PDF Version des Artikels